Goethes Farbenlehre (entstanden von 1791-1832)


Goethes Farbenlehre ist wohl mit die umfangreichste Farbenlehre. Sie umfaßt vier Bände (leopoldinische Ausgabe) 925 Seiten zur Naturwissenschaft, die vorangegangenen Studien mit 518 Seiten und die Entopischen Farben und Nachträge mit 209 Seiten. Hinzu kommen 80 Tafeln und 390 Entwürfe zur Farbenlehre.
Das Werk beruht auf einem Irrtum, mit dem Blick durch ein Prisma auf eine Weiße unveränderte Wand, ohne bunte Farben. Von diesem Moment an ging er davon aus, daß die Newtonsche Lehre falsch sei und er wolle dies aufdecken. Obgleich dessen lassen sich viele von Goethes Feststellungen mit Newtons Gesetzen belegen und er hat viele wichtige und gültige Erkenntnisse zur Erscheinung Farbe gefunden. Die Forschungswege von Newton und Goethe waren verschieden: Newton wollte das Licht analysieren (Ursache) und Goethe die Farbenerscheinung beschreiben (Sinn).

Abb. 1


Grün ist für Goethe die neutrale Farbe, Blau und Gelb sind "entschiedenere Farben", sie sind ein Gegensatz, kalt und warm. Die Erscheinung trüber Mittel wird später zum "Urphänomen". Über den Regenbogen kommt er zum Farbenkreis. Farbe ist eine Eigenschaft von Körperoberflächen die das Auge wahrnimmt. Blau, Gelb und Rot mit ihren Abmischungen, sowie Schwarz und Weiß sind Farben, wobei Schwarz und Weiß abzusondern sind. Die prismatischen Farben sind absolute Farben, da sie vom Körper abgelöst sind.
Abb. 2


Goethe hat dann begonnen die optischen Erscheinungen mit dem Prisma zu untersuchen. Er hält fest, daß das Prisma nur dann Farben zeigt, wenn Licht und Schatten horizontal wechseln (Abb. 1). Die Farben an diesen Rändern sind Gegensätze (weißer Balken auf Schwarz) rot und gelb zu blau und violett, im umgekehrten Fall (schwarzer Balken auf weiß) blau und violett zu rot und gelb. Ist der Balken schmal bzw. die Lichteinstrahlung stark entsteht ein durchgehender Verlauf (Weiß auf Schwarz) rot, gelb, grün, blau, violett und umgekehrt blau, violett, pfirsischblüt, rot, gelb (Abb. 2). Pfirsischblüt erkennt er dann später in hoher Sättigung als Purpur. Seine folgenden subjektiven Versuche mit dem Runden entsprechen eigentlich den objektiven vom mehrfachen Sonnenbilde Newtons. Diesen Versuchen folgten weitere, wobei er bei den Versuchen zu den farbigen Schatten die Reihe abgebrochen hat, da er ein neues Verhältnis zu den Farben gewonnen hatte.
Er erkennt in den physiologischen Farben die "große Regsamkeit der Netzhaut", dies ist auch der erste Teil seiner Farbenlehre von 1810. Der Zweite sind Farberscheinungen auf Licht und Finsternis: physische Farben. Und er der dritte Teil Farberscheinungen auf die Körper: chemische Farben.
Abb. 3


Goethe hat die Farben seines Farbkreises über die Anwendung des Prismas bestimmt und kam zu folgendem Ergebnis: Rot - Violett - Blau - Grün - Gelb - Orange (Abb. 3). Sie sind dunkler als Weiß und heller als Schwarz. Gegenüber liegen sich die Komplementärfarben, diese jeweiligen bunten Strahlen kompensieren sich gegeneinander, das die Farben jeweils Gelb, Rot und Blau beinhalten. Diese Farben sind physiologisch bedingt und stehen mit der Funktion des Auges in direkter Beziehung. Das "Purpur"-Rot steht an der Spitze, da es die "höchste aller Farberscheinungen" ist und diese Ausrichtung macht den Farbenkreis zum Gesetz der Farbe. Gelb und Blau sind die ursprünglichen Farben. Rot und Grün sind ein Symmetrieachse mit der linken aktiven und der rechten passiven Seite. Dies entspricht sogar den physikalischen Bedingungen der Farben, ihre Spektren.


Physiologische Farben
Zu Beginn geht er auf Schwarz und Weiß ein, unter anderem zieht er die Erkenntnis, daß ein schwarzer Gegenstand auf weißem Grund ungefähr ein fünftel kleiner als im umgekehrten Fall wirkt. Dann beschreibt er diverse optische Erscheinungen wie bspw. die Nachbilder. Schaut man bspw. eine Weile auf einen grünen Punkt auf weißem Grund und zieht diesen dann weg, hat man als Nachbild einen purpurnen Punkt auf dunklem Grund. Dies ist abhängig von Länge und Intensität der Einwirkung. Genauso verändern sich die Nachbilder wenn Sie sich "auflösen", ein Quadrat verliert seine Ecken und wird zum kleinen Kreis. Nachbilder können so stark sein, daß beim langen Fixieren sogar der Gegenstand vollends verschwinden kann.
Desweiteren geht er auf das Phänomen der farbigen Schatten ein, welche durch farbiges Licht in farblos beleuchteten Schatten entstehen. Die Farbe des Schattens entspricht immer der Gegenfarbe der beleuchteten Fläche. Goethe nennt sie auch die "geforderte Farbe".
Dann geht er auf die subjektiven Höfe ein, welche entstehen wenn man vom dunklen ins helle schaut. Das Bild scheint dann von einem Nebelschein umgeben. Die sich ergebenden Kreisflächen enden wieder mit den entsprechenden Tönen.
Bei Farbenblinden hat er festgestellt, daß bei diesen Personen bestimmte Farbbereiche vollends fehlen, nämlich der Rot, Grün oder Blau. Fehlt bspw. das Blau, sieht die Person Gelb, Orange und Rot normal, Violett und Blau jedoch wie "Rosenrot" und Grün wie "Gelbrot".


Physische Farben
Im Abschnitt über die "Dioptrischen Farben der ersten Klasse" beschreibt er das Phänomen der trüben Farben. D. h. durch ein zunehmendes trübes Mittel - sei es die Atmosphäre oder das Wasser - wird die Farbigkeit gesteigert (Bsp. Sonnenuntergang: erst gelb, über orange, zu rot). Wird das Licht vom Trüben zurückgeworfen scheint es immer blasser zu werden (Im Gebirge ist der Himmel blau, steigt man in das Tal wird er durch die zunehmende Trübe immer heller). So gelten die Berge in der Ferne als finsterer Gegenstand, da sie kein Licht zum Auge zurückwerfen. Das Gleiche läßt sich mit Wasser nachvollziehen. Diese Haupterscheinung nennt er das Urphänomen: Auf der einen Seite ist das Helle, auf der Anderen das Dunkle, dazwischen das Trübe und aus diesen Gegensätzen entwickeln sich die Farben.
Die "Dioptrischen Farben der zweiten Klasse" beschreiben die Refraktion (Lichtbrechung), Gegenstände die durch das Trübe gesehen nicht an der Stelle sind, an der sie perspektivisch sein sollten. Ebenso beobachtete er die Farbenerscheinungen am Rand der Refraktionen bei Linsen und Prismen. Durch konvexe Gläser wird ein Bild verkleinert und der Rand wird gelb, nach außen orange. Durch konkave Linsen wird es vergrößert und bekommt einen blauen und violetten Rand.
Die "katoptrischen Farben" entstehen bei der Reflexion (Spiegelung) an Metall, natürlichen Gegenständen und in der Atmosphäre bei den Mond- und Sonnenhöfen. Auch hier begegnen einem beim näheren Hinsehen die bekannten Farben.
Die "paroptischen Farben" sind Beugungsspektren bspw. an Messerklingen.
Die "epoptischen Farben" bilden den Übergang von den physischen zu den chemischen Farben, da sie auch nach dem Aufheben der Bedingungen bestehen bleiben. Zu diesen Bedingungen gehören unter anderem Glas das aneinander gedrückt wird, ein Sprung in diesem, Anhauchen einer Glasfläche, Blasen verschiedener Flüssigkeiten (z. B. Seife), Oberfläche stehenden Wassers, erhitzte Metalle. Wenn man eben zwei Glasplatten aufeinander drückt kommt die Erscheinung von farbigen Ringen zu Stande. Über längere Zeit beständig bleibt der Effekt wenn zwei sich abstoßende Flüssigkeiten ein Häutchen bilden oder beim Erhitzen und schnellen Abkühlen von Metallen.


Entoptische Farben
Diese entstehen bei Spiegelung und doppelter Strahlenbrechung mit einem geschwärzten Glas, Wobei das Licht vom (völlig blauen) Himmel der Polarisator und der schwarze Spiegel der Analysator ist - die Polarisationsanordnung. Am dazwischen liegenden Glaskubus bildet sich sodann ein helles Kreuz mit dunklen Eckpunkten, bei obliquem Wiederschein ergibt sich ein schwarzes Kreuz mit hellen Eckpunkten. Nimmt jetzt die sogenannten Glimmerplättchen hinzu kommen wieder die bekannten Farben zum Vorschein. Goethe versuchte die entoptische Farbenerscheinung vom trüben Mittel abzuleiten.


Chemische Farben
Das Weiße ist die vollendet reine Trübe. Kristallisiertes Wasser, verschiedene Salzkristalle sind weiß sie gehen in Durchsichtiges über. Das Schwarze jedoch entsteht erst durch Verbrennung in Kohle verwandelt. Diese setzt er als fixiert voraus.
Getrübtes Weiß wird Gelb, ma Licht entsteht das Gelbe. Erhelltes Schwarz wird blau, es wird von einer rötlich blauen Erscheinung abgeleitet. Metalle können den ganzen Farbenkreis durchlaufen (z. B. beim Erhitzen), schon durch Oxidation am Sauerstoff" werden die meisten gelb. Dies läßt sich chemisch steigern das Gelb ins Rote und das Blau zum Violett. Die Kulmination findet im purpurnen Zenit statt.
Außerdem hat Goethe bei diesen Untersuchungen festgestellt, daß "ein quantitives Verhältnis einen qualitativen Eindruck" hervorruft (Bsp. Stufen in Gefäß mit gefärbter Flüssigkeit).
Grün entsteht wenn Gelb und Blau gemischt werden, aber schon ein schmutziges gelb wirkt grünlich, ebenso wirkt ein unvollkommenes blau grünlich. Zwischen Gelb und Blau scheint ein Kluft zu sein, die zwar chemisch behoben werden kann, aber die wahre Verbindung geschieht über das Rot.
Reale Mischung können aus allen Farben in den verschiedensten Nuancen hergestellt werden. Als Grundfarben dienen Gelb, Blau und Rot, die je mit einander gemischt Orange, Grün und Violett ergeben. Alle miteinander zu gleichen Teilen geben Grau.
Scheinbare Mischungen entstehen wenn bspw. ein blauer Schatten auf gelbes Papier trifft erscheint dieser grün.
Damit man die Farben sieht müssen sie beleuchtet werden - ohne Licht keine Farbe.


Auch aus Beobachtungen in der Pflanzen und Tierwelt folgert Goethe, daß zur Bestimmung bunter Farben ausdrücklich das Licht benötigt wird. Auch hier stellt er die Durchwanderung des Farbkreises fest, bspw. der Saft einer Drüse von Schalentieren der von Gelb über Grün, ins Blaue, dann ins Violette und zuletzt ins Rot übergeht.
Auch bei Tieren, vor allem Vögeln, ist eine starke Farbigkeit zu sehen. Bei den Säugetieren und vor allem den Menschen wird diese Farbigkeit dann wieder zurückgenommen. Dies begründet er damit, daß "je wesentlicher seine Oberfläche mit dem Inneren zusammenhängt, desto weniger können auf derselben Elementarfarben erscheinen". Im Unterschied zu den höheren Säugetieren ist der Mensch glatt und rein - am vollkommensten. Die Hautfarbe ist keine Elementarfarbe sondern "eine durch organische Kochung höchst bearbeitete Erscheinung". Unterschiede in Haut und Haarfarben und Herkunft der Menschen bedeutet auch ein Unterschied der Charaktere.


Goethe sieht Gelb und Blau als die beiden Grundfarben an. Wenn man sie miteinander mischt ergibt sich Grün, aber jede für sich läßt sich zum Rot steigern. Da Rot (bzw. Purpur) für ihn die höchste Farbe ist steht Sie in seinem Farbkreis oben. Damit ist für ihn die Gesamtheit der Elementarfarben dargestellt. Grün ist die neutrale Einheit. Gelb und Blau sind für ihn eine Polarität: Licht und Schatten, Hell und Dunkel, Kraft und Schwäche, Wärme und Kälte, Nähe und Ferne, Abstoßen und Anziehen - Plus und Minus.


Abb. 4


Sinnlich-sittliche Wirkung der Farben
Dies ist für Goethe die durch die Sinne vermittelte Wirkung von Farbe. Die einzelnen Farben geben auch besondere Gemütsstimmungen (Abb. 4).
Die Farben der Plusseite: Gelb, Rotgelb (Orange), Gelbrot (Mennig, Zinnober), sie stimmen lebhaft, regsam, strebend.
Die Farben der Minusseite: Blau, Rotblau, Blaurot, sie stimmen unruhig, weich und sehnend.

Gelb
Es ist die nächste Farbe am Licht. Es hat eine heitere, muntere, sanft reizende Eigenschaft. Als Gold hat es eine prächtige und edle Wirkung. Es macht einen warmen und behaglichen Eindruck und wird in der Malerei zum "beleuchten" verwendet. Gelb ist allerdings sehr empfindlich und bekommt eine unangenehme Wirkung, wenn es beschmutzt, ins Minus gezogen wird. Es wird dann aus der Farbe der Ehre und Wonne die Farbe der Schande, des Abscheus und Mißbehagens.

Rotgelb
Es ist das Gelbe gesteigert ins Rötliche. Es wächst an Energie wird mächtiger und herrlicher. Es ist Wärme und Wonne, die Farbe der Glut und der untergehenden Sonne.

Gelbrot
Das angenehm heitere Gefühl steigert sich hier bis zum unerträglich Gewaltsamen. Es ist die höchste Energie. Energische, gesunde, rohe Menschen erfreuen sich besonders dieser Farbe und auch Kinder. Es bringt eine unglaubliche Erschütterung hervor bei einem ziemlichen Grade von Dunkelheit. Es beunruhigt und erzürnt Tiere.

Blau
Es ist die Farbe des Dunklen. Es ist als Farbe eine Energie und in der höchsten Reinheit ein reizendes Nichts. Es scheint zurückzuweichen (die fernen Berge sieht man blau) und zieht einen aber nach. Es ist angenehm anzusehen, es gibt ein Gefühl von Kälte und erinnert an einen Schatten. Blaue Zimmer wirken zwar weit, aber kalt und leer. Blaues Licht stimmt traurig. Wird blau von der Plusseite berührt ist dies angenehm.

Rotblau
Es hat eine steigernde Wirkung und hat dadurch etwas Wirksames. Es macht unruhig. Verdünnt ist es Lila und hat so etwas lebhaftes und fröhliches.

Blaurot
Die Unruhe nimmt hier weiter zu, ein ganzer Raum in dieser Farbe muß eine Art unerträgliche von Gegenwart sein. Ganz wenig als Zier eingesetzt übt es eine besonderen Reiz aus.

Rot
Es wird manchmal wegen seiner hohen Würde Purpur genannt (auch wenn dieses eigentlich ins blaue gezogen ist). Durch die Steigerung der zwei Pole (gelb und blau) ins Rot findet eine Vereinigung, Beruhigung oder Befriedigung statt. Es gibt einen Eindruck von Ernst und Würde, als auch Huld und Anmut. Durch ein Purpurglas sieht man eine wohl erleuchtete Landschaft in furchtbarem Licht.

Grün
Es entsteht wenn man die beiden ersten Farben - Gelb und Blau - zusammenbringt. Das Auge findet hier eine reale Befriedigung. Es ruht das Auge und das Gemüt. Man will und kann nicht weiter. Deshalb ist dies die optimale Farbe für Zimmer in denen man sich viel befindet.

Totalität und Harmonie
Wird das Auge nur einer Farbe ausgesetzt, so ist das eine gezwungene Lage, in der es ungerne verweilt. Eine einzelne Farbe erregt im Auge das Streben nach Allgemeinheit. Es versucht sofort die Gegenfarbe hervorzubringen um mit dieser die Totalität des gesamten Farbenkreises zu erhalten. Das Auge sucht immer die Möglichkeit eines farblosen Raumes neben dem Farbigen um die geforderte Farbe dort hervorzubringen. Dies ist also das Grundgesetz der Harmonie der Farben. Unser Empfinden versucht also immer eine befriedigende Ganzheit hervorzubringen. Mit dem Farbkreis und seinen nur 6 Elementarfarben kann man sich für alle Farben in ihren Abstufungen die entsprechende Gegenfarbe suchen. Wir erhalten also aus einer Naturerscheinung eine ästhetische Gebrauchsanweisung.
Voraussetzung bei Goethes Harmonielehre ist, daß die Farben im Kreis gleichen Abstand haben. Die Totalität entsteht aus jedem Farbenpaar welches drei Schritte auseinander liegt.
Neben dieser rein harmonischen, totalitären Zusammenstellung gibt es noch eine willkürliche Zusammenstellung, die nicht durch den Mittelpunkt läuft. Sie sind nach Chorden (Sehnen des Kreises) aufzufinden. Auch diese haben Charaktere mit verschiedenen Bedeutungen.

Gelb und Blau
Die einfachste Zusammenstellung, sie ist schwach, da das Rot fehlt. Sie steht aber dem Grün nah, ist also sehr neutral und angenehm.

Gelb und Purpur
Die beiden Enden der Plusseite. Sie ist einseitig, aber heiter und prächtig, sie stehen anstatt dem Gelbrot.

Blau und Purpur
Die beiden Enden der Minusseite, mit Übergewicht des Oberen zum aktiven hin, durch Mischung entsteht Blaurot.

Gelbrot und Blaurot
Sie haben etwas Erregendes, Hohes, eine Vorahnung des Purpur. Erscheint in einer Fläche aus kleinen Teilen in etwas Entfernung grün. Das Auge versuch Totalität zu bewirken.

Charakterlose Zusammenstellungen
Sie stellen sich aus kleinen Chorden von Nachbarfarben zusammen. Sie liegen zu nahe aneinander, der Eindruck ist unbedeutsam, aber sie deuten ein Fortschreiten an. Gelb/Grün ist für ihn "gemein-heiter", Blau/Grün "gemein-widerlich".

Hell und Dunkel
Hier können sehr vielfältige Zusammenstellungen entstehen. Die Plusseite mit Schwarz gemischt gewinnt an Energie, die passive verliert. Die aktive mit Weiß verliert an Kraft, die passive gewinnt an Heiterkeit. Aber auch hier gilt was bei den reinen Farben gilt.


Die Farbzusammenstellungen bei der Kleidung haben auch viel mit den Möglichkeiten der jeweiligen Nationen zu tun. So sind im Süden eher bunte, lebhafte Farben zu sehen. Das Bunte entsteht, wenn viele Farben in ihrer höchsten Energie durch Instinkt oder zufällig gemischt werden. Deutsche hatten viel blau, Landleute Grün. Die Franzosen bevorzugen die aktive Seite, Engländer und Deutsche die passive. Italiener und Spanier tragen rote Mäntel mit Tendenz zum passiven. Aus den Kleidungsfarben lassen sich auch Rückschlüsse auf die jeweiligen Charaktere ziehen. Die Blondine hat zu Violett und Hellgelb, die Brünette zu Blau und Gelbrot Neigung. Gebildete Menschen haben Abneigung zu Farben.


Ästhetische Wirkung
Diese bezieht sich auf den Gebrauch von Farbe für die Künstler, der Grund warum Goethe die Farbenlehre entwickelt hat.
Helldunkel ist wenn an Gegenständen nur Licht und Schatten betrachtet werden. Die Trennung der Farbwirkung von Helldunkel ist notwendig, da sich allein mit Helldunkel die Körper und Schatten darstellen lassen. Bald folgt das Streben zur Farbe. Verläßt sich der Künstler auf sein Gefühl, wird er zur Farbe greifen und diese instinktmäßig verteilen. Die Luftperspektive macht deutlich, daß ferne Gegenstände nicht so deutlich wie Nahen sind. Die Atmosphäre macht sie trüb. Das was Goethe mit Kolorit bezeichnet, ist die Erscheinungsweise der Farben bei den Oberflächen, dem Raum und vom Raumbezug gelöste freie Farbe. Es ist die Hauptkunst des Malers dies zu erkennen und in Harmonie zu bringen. Notwendig ist dazu das Wissen über die Wirkung von Farben. Beim charakteristischen Kolorit gibt es drei Hauptrubriken: das Mächtige, das Sanfte, das Glänzende. Der Mächtige wird erzielt durch Gelb, Gelbrot und Purpur, wenig Violett und Blau und noch weniger Grün. Der Sanfte wird erzielt durch Blau, Violett und Purpur, wenig Gelb und Gelbrot, aber bei Grün ist auch viel möglich. Um diese Effekte maximal auszureizen sollte man die geforderte Farbe auf ein Minimum reduzieren. Das harmonische Kolorit entsteht, wenn alle Farben im Gleichgewicht angebracht sind, jedoch kann die Wirkung dann auch charakterlos sein. Schwache Kolorits sind Ton in Ton, grau, mutlos, sich fürchten sich vor dem bunten. Bunt kann ein Gemälde auch werden, wenn man die Farben lediglich in ihrer vollen Kraft nebeneinander setzt, sie sind dann jedoch in Bezug auf Licht und Schatten falsch angewendet und somit der Willkür unterworfen. Nur durch die Einstimmung von Licht und Schatten, Haltung und der charakeristischen Farbengebung kann ein Gemälde als vollendet erscheinen.


Abb. 5


Allegorischer, symbolischer, mystischer Gebrauch der Farbe
Jede Farbe macht einen bestimmten Eindruck auf den Menschen und offenbart ihr Wesen somit dem Auge und dem Gemüt. Sie läßt sich somit sinnlich, sittlich und ästhetisch anwenden. Symbolisch wäre bspw. Purpur als die Majestät bezeichnen. Grün wurde die Hoffnung zugeteilt.
Siehe auch die Temperamentenrose, gemeinsam von Goethe und Schiller erarbeitet (Abb. 5).