Josef Albers - Interaction of Color (Wechselwirkung von Farben)


Der Kurs "Interaction of Color" soll die Aufmerksamkeit schulen, die Variabilität und Relativität des Sehens gegenüber dem Gesehenen - in Hinsicht auf die Farbe - wahrzunehmen. Es ist kein System und keine Harmonielehre der Farbe. Die beschriebenen Übungen sollen einen möglichen Weg andeuten. Es werden keine Gesetze und Regeln von Farbharmonien mechanisch angewendet. Ziel ist bestimmte Farbeffekte zu erzeugen, so lange zu probieren, bis es überzeugt. Die Vollständige Ausgabe der "Interaction of Color" wog 10 kg, kostete 200 Dollar und umfaßte 150 große Farbtafeln.


I Farberinnerung - visuelles Gedächtnis

Wenn man die Aufgabe hat bspw. Das Coca-Cola-Rot aus unzähligen Rottönen herauszusehen, wird jeder ein anderes rot auswählen, aber keiner ist sicher, ob er das richtige rot ausgewählt hat.
Dies zeigt, daß es fast unmöglich ist, sich an bestimmte Farben zu erinnern. Im Vergleich mit dem auditiven Gedächtnis, welches oftmals eine Melodie schon nach einmaligem hören wiederholen kann, ist das visuelle Gedächtnis sehr spärlich. Ebenso ist die Liste der Farbnamen mit 30 Stück im Vergleich zu den unzähligen Farben sehr spärlich.


II Farblesen und Farbgefüge

Es wurde herausgefunden, daß Buchstaben um so leichter zu lesen sind, je mehr sie sich voneinander unterscheiden. Serif-Buchstaben lassen sich besser lesen als Sans-Serif-Buchstaben. Man liest nicht die Buchstaben, sondern das ganze Wort als Bild. Müheloses lesen kommt durch das erkennen des Wortzusammenhangs. Ebenso hat der physikalische Wert einer Farbe nichts mit dem Farbgeschehen auf dem Bild zu tun. Es geht um die Wechselwirkung von Farben, das was zwischen den Farben geschieht. Sie sind immer im Zusammenhang mit der Umgebung zu sehen.


III Warum Farbpapiere - anstelle von Pulver- und Malfarben

Farbpapiere sind billig und man hat schnell eine große Palette aus Papiersorten, Drucksachen, Zeitungsschnipseln etc. Man vermeidet das schwierige und zeitraubende Mischen der Farbe. Mit den Papieren kann man mehrmals die exakt gleiche Farbe nebeneinander verwenden. Es entsteht kein verschieden dicker oder pastoser Auftrag, keine Texturen, keine Pinselstriche. Man kann viel leichter vergleichen.


IV Eine Farbe hat viele Gesichter - die Relativität der Farbe

Versuch: Man nehme drei Eimer mit Wasser, links mit warmen, in der Mitte mit lauwarmen und rechts kaltem Wasser. Hebt man seine Arme gleichzeitig, einen in den Eimer mit kaltem und einen in den Eimer mit warmen Wasser und anschließend beide zusammen in den mit lauwarmen Wasser wird man das Wasser am Arm der zuvor im kalten Wasser war warm spüren und umgekehrt.
Dies ist der Unterschied zwischen physikalischer Wirklichkeit und psychischer Wirkung.
Aufgabe: Ein und die selbe Farbe soll verschiedenfarbig erscheinen.
Man stelle zwei kleine, gleichfarbige Rechtecke auf zwei große verschiedener Farbe. Man versucht herauszufinden, welche Farben beeinflussender wirken. Es gibt zwei Einflußgrößen: Helligkeit und Farbton.
(Schaubild 1)


Schaubild 1


V Heller und/oder dunkler - Lichtintensität, Helligkeit

Nur wenige Menschen können hellere von dunkleren Tönen, die nahe beieinander liegen, unterscheiden, wenn dies durch kontrastreiche Farbtöne oder Farbintensitäten erschwert wird.
Um eine größere Sensibilität zu entwickeln werden in der nächsten Aufgabe Graukeile - von weiß nach schwarz - angefertigt. Je gleichmäßiger, desto besser. Linien oder Leerräume sind störend.
Danach unterteilt man die Graureihen und ordnet sie anders, um Wechselwirkungen zu erkennen.


VI Eine Farbe erscheint wie zwei - wie umgekehrte Hintergründe aussehend

In den nächsten Aufgaben sollen drei Farben wie zwei Farben aussehen, eine Farbe soll zwei Gesichter bekommen, die sich auf die zwei Farben der umgekehrten Hintergründe bezieht.
Man wird feststellen, daß die Farbe einer Hintergrundfarbe näher kommt als der anderen. Man muß die Mittenfarbe finden, was wesentlich einfacher ist, wenn die Hintergrundfarbe einem Ton, z. B. grün, angehören. Schwieriger ist es bei verschiedenen Farben oder gar Komplementärfarben.


VII Zwei verschiedene Farben erscheinen gleich - Subtraktion von Farbe

Aufgabe ist zwei verschiedenen Farben das gleiche Aussehen zu geben. Stellt man bspw. Rot auf einen ähnlichen roten Hintergrund wird man feststellen, daß der Unterschied von Farb- und Helligkeitswert zwar stärker sichtbar wird, aber man erkennt, daß ein Hintergrund seinen Farbwert von der jeweiligen Farbe subtrahiert und beeinflußt.


Schaubild 2


VIII Warum Farbtäuschungen? - Nachbilder, Simultankontrast

1. Simultankontrast: siehe Itten
2. Doppel-Umkehrkontrast: auf einem weißen Quadrat stehen 3 x 3 gleich große gelbe Kreise. Rechts daneben ein weiteres weißes leeres Quadrat, beide auf schwarzem Grund. Blickt man 30 Sekunden auf das linke Quadrat und dann auf das rechte Quadrat sieht man folgendes Nachbild. Anstatt der komplemtären blauen Kreise sieht man ein karoähnliches gelbes Raster.
(Schaubild 2)


Schaubild 3


Schaubild 4
IX Farbmischung in Papier - Scheinwirkung von Transparenz

Farbpapiere kann man nicht wie Malfarben mischen. Man muß in seiner Vorstellung die jeweilige Farben mischen und dann in Versuchen die jeweilige Mischungsfarbe finden. Hierbei geht man wie folgt vor: Man legt die Mischungsfarbe quasi zwischen die zwei zu mischenden Farben. (Schaubild 3)
Man erkennt hierbei die Täuschung, daß das "Misch"-Papier durchsichtig, transparent erscheint. Weiter Anordnungen siehe Schaubild 4.


X Faktische Mischungen additiv und subtraktiv

Es gibt zwei Arten physikalischer Mischung:
a) direkte Mischung von projiziertem Licht,
b) indirekte Mischung von reflektierendem Licht.

a) ist die additive Mischung von Licht in der Physik. Zwei gemischte Farben werden heller. Alle Wellenlängen gemischt ergeben weiß.
b) Ist die subtraktive Farbmischung von Malfarben, sie werden immer dunkler bis zu schwarz.


XI Transparenz vom Raumillusion - Farbgrenzen und plastische Wirkung

Bei den Transparenzübungen merkt man, daß die eine Farbe über oder unter der anderen zu liegen scheint: die Raumillusion.
Bei den Mischungsübungen merkt man auch, daß eine Farbe näher, die andere entfernter zu liegen scheint und am schwierigsten ist die Mittenfarbe. Die erreicht man häufig nur durch tauschen ein oder beider der Mischfarben. Durch dieses Vergleichen erfährt man ein gründliches Training. Ein weiteres Mittel dabei die Grenze (Linie) zwischen Ausgangs- und Mischfarbe. Eine harte Grenze zeigt mehr Entfernung ein übergehen weniger Entfernung. Dies ist das räumliche Phänomen.


XII Optische Mischung - Simultankontrast revidiert


XIII Der Bezold Effekt

Zwei gleichzeitig gesehene Farben verschmelzen zu einer neuen Farbe. Die Impressionisten mischen so, aus einzelnen Tupfern, die Farbe. Ebenso wird im Druck mit sehr kleinen Punkten/Rastern gearbeitet, die aus vier Farben unzählige Tönungen und Farbwerte entstehen läßt.
Wilhelm von Bezold (1837-1907) sucht ein Verfahren, mit dem er die Farbkombination durch hinzutun oder tauschen einer Farbe, seine Teppichentwürfe verändern konnte.


Schaubild 5


XIV Farbintervalle und Transformation

Aufgabe: man ordnet vier quadratische, unterschiedliche Farben in einem Quadrat an. Es werden Beziehungen entstehen. Dann versucht man dieses Intervall in einen höheren oder tieferen Helligkeitsgrad zu transformieren. Um dieses dann zu beweisen setzt man die zwei Intervalle ineinander. Man wird gleich erkennen, ob Hebungen und Senkungen innerhalb der Gruppe passen. (Schaubild 5)


Schaubild 6


XV Nochmals Mittenmischung - in Farbdurchdringung

Man nehme zwei Abstufungen der gleichen Farbe und deren Mittenmischung, also drei große Blätter. Man lege Sie so nebeneinander, daß links der hellrote am Rand vom Mittelroten überdeckt ist und dieser fast vollständig vom dunkelroten. Man zieht nun das dunkle rot nach rechts. Man erkennt, daß das mittlere jetzt wie zwei Farben erscheint. Am rechten Rand wird es heller und am linken Rand dunkler. Die Mittenfarbe spielt die Rolle äußeren Farbe nur umgekehrt. (Schaubild 6)


XVI Farbzusammenstellung

Harmonie
Farbsysteme lassen schlußfolgern, daß bestimmte Zusammenstellungen im System Farbharmonien bilden. Dies läßt sich auch in die Musik übertragen, die Parallelität von Ton- und Farbkombinationen, obwohl unterschiedliche Grundvoraussetzungen beider Medien in verschiedenen Verhalten resultieren.
Töne sind zeitabhängig, eine bestimmte Reihenfolge wird vorgegeben. Die "älteren" Töne verklingen, man hört sie vorwärts in einer Folge. Farben sind raumabhängig, sie bleiben und sind in jeder Richtung zu sehen und in jeder Geschwindigkeit. Dieses Verharren und Nicht-Verharren ist der Hauptunterschied.
Tonfolgen können klar definiert und gemessen werden. Farbe kann zwar auch gemessen werden, aber sie ist obendrein bestimmt durch Form, Größe, Wiederholung, Anordnung usw. Deshalb lassen sich Farbkompositionen nicht aufzeichnen. Es kommen zu diesen theoretischen Faktoren noch einige aus der Praxis hinzu wie verändertes Licht, Reflexionen, Leserichtung, verschiedene Materialien etc.
Das Gleichgewicht aufgrund von Farbtheorien ist vergleichbar mit der Symmetrie. Farbspannungen lassen sich mit dynamischer Asymmetrie vergleichen.

Quantität
Es wird zwischen zwei Arten unterschieden: Quantität der Größe (Flächenausdehnung) und Quantität der Wiederholung (Höhe der Anzahl). Sie bilden das Gewicht aus Raum und Zeit.


XVII Filmfarbe und Volumenfarbe - zwei natürliche Effekte

Alle Objekte in unserer Umwelt haben eine Farbe. Die Tomate ist bspw. Rot. Diese Farbe nennt man Oberflächenfarbe. Berge in der Ferne erscheinen immer bläulich. Strahlt die Sonne auf grünen Rasen kann eine Zimmerdecke dies grünlich reflektieren. Diese Farben nennt man Filmfarben. Diese Farbe erscheint dünn, klar und durchscheinend zwischen Auge und Gegenstand.

Das Wasser in einem Schwimmbecken erscheint bläulich, von Stufe zu Stufe mehr. Dies nennt man Volumenfarbe. Dies gilt nur für transparente Flüssigkeiten.


XVIII Frei Übungen - eine Herausforderung der Phantasie

Zu den systematischen Übungen gehören die freien Übungen Sie sollen von Anfang an als Hausarbeiten begleiten. Sie regen die Schüler an. Bewertungsmaßstab ist die Farbbezogenheit, Farbkompositionen der Farbe wegen und nicht Farbe als Anhängsel zur Form.
Übungen: Fröhlich-Traurig, Jung-Alt, Größer-Kleiner, Glänzend-Stumpf, Früh-Spät, Aktiv-Passiv.
Kontrastpaare führen zu einer Meinung, genauem Lesen. Weitere Übungen mit reduzierter Palette, nur verwandten Farben oder Farben die man nicht mag sind eine weitere Anregung, die den Wettstreit fördern.

Streifen - eingeschränkte Kombinationen
Die Ränder der Farbpapiere verstecken die Formen, wirken der Farbe entgegen. Daher sollte man die Papiere reißen. Schmale, lange, gleich hohe Streifen betrachtet man fast gestaltlos, zudem ist die vertikale Anordnung und in Leserichtung geschickter.
Nächste Aufgabe ist das anordnen solcher Streifen in vier (später mehr) Farben, so daß alle gleich wichtig sind. Je mehr sie sich voneinander abheben, desto stärker der Reiz.
Die darauffolgende Aufgabe ist dann eine Farbe dominieren zu lassen.

Herbstlaubstudien - eine amerikanische Entdeckung
Bei Laub gibt es unzählige Nuancen und Farben. Sie eignen sich hervorragend zu den Übungen.


XIX Die Meister Farbinstrumentierung

Die Leistung alter Meister zu Ehren bedeutet es mehr mit ihrer Haltung, als den Ergebnissen aufzunehmen. Neues schaffen, anstatt altes zu beleben. Es bedeutet ihre Sinngebung für Farbe zu erfassen.
Ziel ist es solche Werke mit Farbpapieren zu übertragen um Kontakt mit ihrer Farbinstrumentierung zu bekommen, um weitere Vergleiche zwischen Einstellung, Temperament, Persönlichkeit und Mentalität zur stetigen Selbstkritik zu erhalten.


Schaubild 7


XX Das Weber-Fechnersche Gesetz - das Maß in der Mischung

Trägt man eine Farbschicht (der gleichen Farbe) mehrfach übereinander auf um einen Keil zu erhalten, wird sich das gewünschte Ergebnis nicht einstellen, auch nicht wenn man die Farben mit gleichbleibender Menge mischt. Die Zuwachsrate wird immer geringer, die Steigerung nimmt ab. Was man für gleichmäßige Mischreihen benötigt haben Wilhelm Eduard Weber und Gustav Theodor Fechner in ihrem Gesetz festgehalten: Die visuelle Wahrnehmung einer arithmetischen Reihe ist bedingt durch eine physikalisch-geometrische Reihung. Diese Zuwachsraten bilden eine ansteigende bis senkrechte Kurve. (Schaubild 7)
In unserem Bewußtsein wird dies als gerade Linie wiedergespiegelt. Dies kann man mit Farbfolien nachvollziehen. Das Gleiche kann man an den Stufen in ein Schwimmbad feststellen. Die Stufen sind gleich hoch, die Tönung nimmt aber ab, erscheint schrittweise schwächer. Das Weber-Fechnersche Gesetz folgt natürlichen logarithmischen Progressionen, die theoretisch keine völlige Sättigung erreichen.


Schaubild 8


XXI Über Farbtemperaturen und trockene wie feuchte Farbe

Messungen von Hell-Dunkel-Eigenschaften stehen indirekt in Beziehung von Leicht-Schwer-Verhältnissen, Jung-Alt, Warm-Kalt, etc. Die größte Polarität bilden Hell-Dunkel, Leicht-Schwer und Warm-Kalt. Vergleicht man diese treten Überschneidungen auf. (Schaubild 8)
Warm-Kalt sind klar definiert: blau = kalt, warm = rot. Aber auch innerhalb dieser gibt es Temperaturunterschiede: warmes rot, kaltes rot.


XXII Flimmernde Farbtrennungen und verstärkte Konturen

Dieser Effekt passiert, wenn zwei kontrastierende Farben, jedoch mit gleicher Helligkeit aufeinander treffen. Manchmal wird nur eine Verdopplung der Übergangslinie erzeugt.


XXIII Gleicher Helligkeitswert - Verflüchtigung trennender Grenzen

Dieser Effekt ist sehr selten, er passiert nur wenn zwei sehr ähnliche Farben, exakt gleicher Helligkeit aufeinander treffen. Der Effekt ist sehr schwierig herzustellen.


Schaubild 9


XXIV Farbtheorie und Farbsysteme

Mit dem klugen Farbdreieck von Goethe lassen sich Systeme von Farbbeziehungen gut aufzeigen.
(Schaubild 9)
Der Hauptzweck von Farbsystemen sind in der Regel Farbharmonien, Dissonanzen sind aber ebenso erwünscht.